www.deutsches-marinearchiv.de Marine seit 1990 Letzte Änderung: 10.03.2010

Einsätze der Deutschen Marine

Hintergründe zur Piraterie

 

Bisherige Initiativen zur Bekämpfung von Piraterie

Die Bekämpfung von Piraten auf Hoher See ist schwierig. Sie findet bislang kaum statt, da die überwiegende Anzahl der Piratenüberfälle in Hoheitsgewässern beziehungsweise in küstennahen Meerengen in Regionen stattfinden, wo die staatlichen Fähigkeiten zur Kontrolle der Küstengewässer kaum über den eigentlichen Hafenbereich hinaus reichen.

Der Versuch über die Vereinten Nationen, eine Art maritime Blauhelm-Mission zur Piratenabwehr aufzubauen, ist bisher an den Kosten und am Prinzip der staatlichen Souveränität gescheitert.

Vor diesem Hintergrund haben multinationale Einsätze von Seestreitkräften – etwa mit deutscher Beteiligung bei den Operationen ENDURING FREEDOM, ACTIVE ENDEAVUR und UNIFIL – neben dem jeweiligen Hauptauftrag auch immer den Nebeneffekt, dass sie die Sicherheit der Handelsschifffahrt in den Einsatzgebieten deutlich erhöhen. Einen eigenständigen Einsatz gegen Piraterie – wie mit der Operation ATALANTA der Europäischen Union – hat es bislang jedoch noch nicht gegeben.

Bislang standen nationale oder bilaterale Aktionen im Vordergrund. So versuchen Singapur und Malaysia die Piraterie im südostasiatischen Bereich einzudämmen, da die internationalen Seetransportwege zu ihren Häfen oftmals durch von Piraterie bedrohte Gewässer führen. In Konferenzen mit Anrainerstaaten der südostasiatischen Region und mit bilateralen Vereinbarungen wird erst noch versucht, eine multinationale Piratenbekämpfung aufzubauen.

Als einen ersten Schritt hat Malaysia angesichts der zunehmenden Piratenüberfälle und Bedrohungen der Schifffahrt durch Terrorismus eine eigenständige Dienststelle zur Piratenbekämpfung eingerichtet, die Malaysian Maritime Enforcement Agency (MMEA). Ihr Auftrag ist die Überwachung der Straße von Malakka. Alljährlich passieren diese Wasserstraße, eine Meerenge von 800 Kilometern Länge, mehr als 50.000 Schiffe. Zu ihrem Schutz sind 44 Patrouillenboote sowie Hubschrauber eingesetzt.

Im westafrikanischen Bereich bemüht sich Nigeria mit einem Anteil von etwa 80 Prozent des Handelsschiffsverkehrs in dieser Region um eine flächendeckende Überwachung seiner Hoheitsgewässer durch die nigerianische Marine. Mehrmals täglich werden die Küstengewässer mit Hubschrauber- und Bootspatrouillen abdeckt. Als Besonderheit hat Nigeria mit seinen Nachbarländern vereinbart, dass bei der Verfolgung von Piraten ihre Einheiten bis zu 15 Seemeilen in die Territorialgewässer des jeweiligen Nachbarn eindringen dürfen.

 


Piraterie in Zahlen

Von 1984 bis Ende 2007 wurden weltweit 4.600 Überfälle von Piraten, Seeräubern und Terroristen auf Handelsschiffe gezählt. Im Jahresbericht 2007 listet das Anti-Piraterie-Zentrum des Internationalen Schifffahrtsbüros in Kuala Lumpur 263 bekannte Fälle von moderner Seeräuberei auf See auf. Dieses bedeutete einen Anstieg der Überfälle um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Hochrisikogebiete bleiben die Gewässer um Indonesien, Nigeria und Somalia sowie die Häfen Chittagong (Bangladesh), Dar es Salaam (Tansania), Callao (Peru) und Manila auf den Philippinen.

Afrika ist seit Jahrzehnten notorisch bekannt für Überfälle auf Reeden, in Flussmündungen und Häfen, so dass die gestiegene Anzahl der Übergriffe in dieser Region auch Verursacher für einen Anstieg der Gesamtstatistik ist. Die Schwerpunkte bilden hier eindeutig die Küsten und Häfen Nigerias (42), Somalias (31) und Tansanias (11) sowie der Golf von Aden und das Rote Meer (13).

Größte Sorge bereitet dem Anti-Piraterie Zentrum der ungebrochene Trend zu Schiffsentführungen auf Hoher See. Insgesamt brachten Piraten in 18 Fällen Schiffe in ihre Hand. Zugenommen hat die Gewalt gegenüber den Schiffsbesatzungen. Kaperten Piraten vor Jahren noch Schiffe mit Macheten und Dolchen, besitzen sie heute M-16 Sturmgewehre und andere Schnellfeuerwaffen. 2007 brachten Piraten 292 Besatzungsmitglieder von Schiffen in ihre Gewalt, um Lösegeld zu erpressen.

Das ist die höchste Zahl seit Beginn der Statistik im Jahr 1992. Drei Crewmitglieder werden vermisst, 35 Personen wurden bei Angriffen verletzt, fünf weitere getötet.


Verbreitete Formen der Piraterie

 

Hafenüberfall

Piraten gehen mit dem Ziel an Bord, Geldmittel und wertvolle Gegenstände zu rauben. Diese Überfälle erfolgen im Hafen beziehungsweise in Hafennähe oder auf Flüssen und werden meist von kleineren Gruppen von Piraten ohne Anbindung an eine größere Organisation durchgeführt.

 

Lösegelderpressung

Piraten nehmen die Besatzung eines Schiffes in Geiselhaft und erpressen vom Eigner Lösegeld. Bei dieser Form der Piraterie gehören die Seeräuber zu einer größeren Organisation mit entsprechender Logistik. Die Piraten fungieren hier nur als ausführendes Organ, Verhandlungen und Geldübergabe finden außerhalb des Schiffes statt. Nach Übergabe des Lösegeldes verlassen die Geiselnehmer in der Regel das Schiff und lassen Schiff und Geiseln frei.

 

Übernahme des Schiffes

Piraten entern das Handelsschiff häufig mit Waffengewalt und übernehmen das Schiff mit dem Ziel, Ladung und Schiff später zu veräußern. Hier steckt eine straff geführte Form des organisierten Verbrechens dahinter, an den häufig korrumpierte staatliche Kräfte beteiligt sind. Die ursprüngliche Besatzung wird in der Regel über Bord geworfen, um keine Zeugen zu hinterlassen.

 

Seeräuberisch handelnde Terrorgruppen

Neben den bereits genannten drei Hauptgruppen der Piraterie existieren auch Verbindungen zu staatlichen und terroristischen Organisationen. Bei staatlichen Organisationen erfolgt eine Beteiligung von Staatsbediensteten der unteren Ränge in Form von Korruption bis zur physischen Beteiligung an Piratenüberfällen. In höheren Bereichen der Hierarchie werden auch Piraterieakte toleriert, wenn sie der Durchsetzung politischer Ziele dienen, etwa der Durchsetzung strittiger Hoheitsrechte.

Für terroristische Organisationen ist Piraterie darüber hinaus eine gute Gelegenheit, finanzielle Mittel für die Verfolgung ihrer politischen Ziele zu beschaffen; hierbei handelt es sich meist um reine Beschaffungskriminalität.

Piraten setzen mittlerweile moderne Schusswaffen ein, auch Panzerfäuste und Raketen sind in Gebrauch. Als Transportmittel werden kleine, wendige und vor allem schnelle Fahrzeuge bis zur Größe von Patrouillenbooten genutzt. Moderne Kommunikationsmittel stellen die zur Koordination notwendige Verbindung untereinander sicher. Geblieben ist der Enterhaken, mit den auch hohe Bordwände erklommen werden können.

 


Angriffsmethoden von Piraten

Selbst ein großer Sicherheitsabstand zu gefährlichen Küstenabschnitten reicht heute oft nicht mehr aus, vor Überfällen von schwer bewaffneten Piraten sicher zu sein. Sie operieren nicht nur im Küstenbereich, sondern mit kleinen Speedbooten auch von einem Mutterschiff aus, welches bis zu 80 Seemeilen vor der Küste See liegt oder einen Seenotfall vortäuscht.

Die Angriffe finden überwiegend im Schutz der Dunkelheit während der Nacht statt und damit in Zeiten mit der geringsten Wachbereitschaft auf Handelsschiffen. Dabei nähern sich die Piraten meist im Radarschatten dem Zielobjekt und entern das Schiff über den Heckbereich.

Eine Geographie mit vielen Inseln und Meerengen, wie im Südostasiatischen Raum, begünstigt entscheidend den Wirkungskreis der Piraten. Handelsschiffe sind hier besonders angreifbar, da sie aufgrund der Geographie zu vorbestimmten Kurse gezwungen sind und wegen der geringen Wassertiefen die Geschwindigkeit reduzieren müssen.

 

Methode 1

Die Piraten lauern in zwei flachen, offenen Motorbooten, zwischen denen sie ein langes Tau gespannt haben, auf ihre Beute. Sie sind auf den Radarschirmen der Schiffe bei leicht bewegter See kaum auszumachen. In jedem Boot sitzen ungefähr ein Dutzend Piraten, die mit automatischen Waffen, Bambusstangen und Enterhaken bewaffnet sind. Der Bug des Handelsschiffes trifft das Tau; dadurch werden die beiden Boote an die Backbord- und Steuerbordseite des Frachters herangezogen und die Piraten können aufentern.

 

Methode 2

Piraten nähern sich nachts mit schnellen Booten unbemerkt von achtern und versuchen, mit Wurfhaken und Stangen über das Heck des Frachters an Deck zu gelangen.

 

Methode 3

Piraten fahren mit mehreren Speedbooten aus unterschiedlichen Richtungen – zumeist bei Nacht – direkt das Handelsschiff an und eröffnen sofort das Feuer aus automatischen Handwaffen auf die Brücke. So versuchen sie, ein Aufstoppen zu erzwingen, entern bei Erfolg auf und rauben das Schiff aus. Vorrangiges Ziel der Piraten ist dabei der Schiffssafe, in dem sich das Geld für Heuern und Hafengebühren befinden.

Danach plündern sie die Kajüten der Besatzungsangehörigen und rauben aus Betriebsräumen Schiffsausrüstung. Nachdem die Besatzung eingesperrt wurde, gehen sie möglichst zügig von Bord. Darüber hinaus nehmen sie oft Geiseln, die dann erst gegen Lösegeldzahlungen wieder frei kommen. Von dem führerlosen Schiff geht eine erhebliche Gefährdung für die nautische Sicherheit aus. Ladung wird bei diesen Blitzüberfällen sehr selten gestohlen, da tragbare Beute, wie z.B. hochwertige Unterhaltungselektronik, von außen nicht erkennbar in Containern gestaut wird. Durch ihren Geschwindigkeitsvorteil nehmen die Piraten bewusst in Kauf, dass das Handelschiff einen Notruf absetzen kann. Bis Hilfe eintrifft, sind die Angreifer jedoch zumeist verschwunden.

 


Quelle:

www.marine.de

 

 

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