www.deutsches-marinearchiv.de | Kriegsmarine 1935 - 1945 |
Letzte Änderung: 16.02.2010 |
Hilfskreuzer
Schiff 23, HSK 6
Stier
ex Cairo
britische Bezeichnung: Raider J
Kiellegung | 1936 |
Stapellauf | 07.10.36 |
Indienststellung | 1936 als Handelsschiff, 11.11.41 als Hilfskreuzer |
Bauwerft | 1936 Krupp-Germaniawerft 1941/42 Umbau: Wilton-Fijenoord, Rotterdam-Schiedam und Oderwerke, Stettin |
Länge | 134 m ü.A. / 124 m KWL |
Breite | 17,3 m |
Tiefgang | 7,2 m |
Tonnage | 4.778 BRT / 11.000 ts |
Maschinenanlage | 1 x 7 Zylinder Diesel |
Leistung | 3.750 PS |
Geschwindigkeit | 14 kn |
Besatzung | 324 Mann |
Bewaffnung | 6 x 15 cm-Geschütze (L/48 C 36) 2 x 3,7 cm-Flak (Doppellaffette) 4 x 2 cm-Flak (Einzellaffetten) 2 x 53,3 cm-Torpedorohre (unter Wasser) 2 Bordflugzeug Arado Ar 231 |
Kommandanten | 11.39 - 05.40 KKpt. Pahl 05.40 - 27.09.42 Kpt.z.S. Horst Gerlach |
Verbleib | 27.9.42 bei Gefecht mit bewaffnetem Liberty-Schiff Stephen
Hopkins beschädigt worden, daraufhin
Selbstversenkung (24°44'S / 21°50' W) 4 Tote |
Fahrt:
09.05.42 - 27.09.42 (140 Seetage)
Versenkungserfolge:
04.06.42 Gemstone (brit.Dampfer, 4.986 BRT,
01°52'N/26°38'W)
06.06.42 Stanvac Calcutta (panames. Tanker, 10.170 BRT,
05°30'S/27°30'W)
09.08.42 Dalhousie (brit.Dampfer, 7.072 BRT,
20°22'S/24°40'W)
27.09.42 Stephen Hopkins (US-Dampfer, 8.500 BRT,
24°44'S/21°50'W)
insgesamt: 4 Schiffe mit 30.728 BRT
Sonstige technische Angaben:
Brennstoffvorrat: 3.200 t
Fahrbereich: 50.000 sm bei 12 kn
Vom Handelsschiff zum Hilfskreuzer
1936 lief die für die Atlas-Levante-Linie in Bremen gebaute
"Cairo" bei der Krupp-Germaniawerft in Kiel vom Stapel.
Noch im selben Jahr erfolgte die Indienststellung.
Am 25.11.1939 wurde das Schiff von der Kriegsmarine übernommen
und diente zunächst als Eisbrecher, dann als Schutzschiff
Schiff 23 für den Ostseehandel. Es war der Umbau zum
Minenleger geplant. Später war das Schiff für die Operation
Seelöwe eingeplant. Es lag in Cherbourg und später in
St.Nazaire.
Im April 1941 begann auf der Werft Wilton-Fijenoord in
Rotterdam-Schiedam der Umbau zum Hilfskreuzer, der bei den
Oderwerken in Stettin beendet wurde. Am 11.11.41 stellte Kpt.z.S.
Horst Gerlach den HSK 6, Schiff 23 Stier in Dienst.
Der Durchbruch in den Atlantik
Am 9.5.42 verließ das Schiff, als Sperrbrecher 171 getarnt,
Kiel und fuhr im Geleit nach Rotterdam. Am 12.5. verließ Stier
den Hafen in Begleitung von vier Torpedobooten und 16
Räumbooten. In der Nacht des 13.5. um 2 Uhr eröffneten die
Fernkampfbatterien von Dover das Feuer auf das Geleit, ohne
jedoch Treffer zu erzielen. Gegen 3.30 Uhr folgte ein schwerer
Kampf mit britischen Motortorpedobooten, in dessen Verlauf das
britische MTB 220 und die deutschen Torpedoboote Iltis
und Seeadler sanken. Besonders unglücklich war, daß
die Bedienung der vorderen Geschütze der Stier in der
Dunkelheit auf einen verdächtigen Schatten schossen, bei dem es
sich jedoch um das Vorschiff eines sinkenden Torpedobootes
handelte. Bei dem Untergang der beiden Torpedoboote starben 199
der 287 Besatzungsmitglieder. Stier überstand das
Gefecht jedoch unbeschädigt und lief am 19.5. aus Royan aus,
passierte in der Nacht vom 20. auf den 21.5. die Girondemündung
nördlich Bordeaux und steuerte in den Atlantik.
Handelskrieg im Atlantik
Am Morgen des 4.6. sichtete die Stier den britischen
Dampfer Gemstone, und feuerte eine Warnsalve, worauf das
Handelsschiff sofort "QQQQ" funkte und dem Hilfskreuzer
das Heck zuwandte. Captain E.J. Griffith sah jedoch die
Sinnlosigkeit einer Gegenwehr ein und rief die Bedienung des 10,2
cm-Geschützes zurück, so daß die gesamte Besatzung unverletzt
an Bord von Stier gebracht werden konnte.
Zwei Tage später kam der panamesische Tanker Stanvac
Calcutta in Sicht. Um 10.12 Uhr eröffnete der Hilfskreuzer
das Feuer. Der Tanker erwiderte jedoch aus einem 10,2
cm-Geschütz das Feuer mit 20 - 30 Granaten, von denen zwei die Stier
trafen. Eine schlug durch den vorderen Mast und die zweite
explodierte hinter Luk 5 in einer Mannschaftsunterkunft und
verwundete zwei Mann. Stier feuerte 148 15-cm-Granaten
und einen Torpedo auf den tapferen Gegner, worauf der Tanker
langsam Schlagseite bekam. 14 Tote waren auf der Stanvac
Calcutta zu beklagen, darunter auch der Kapitän Gustav O.
Karlsson und der Funker, der keine Gelegenheit mehr zum Funken
hatte. Zwei weitere Besatzungsmitglieder der Stanvac Calcutta
starben noch. Einer erlag an Bord von Stier seinen
Verwundungen, der andere starb später in japanischer
Gefangenschaft.
Am 10.6. traf sich der Hilfskreuzer mit dem Tanker Charlotte
Schliemann, so daß auch 68 Gefangene von Bord gebracht
werden konnten. Anschließend wurde der Tanker in ein Wartegebiet
entlassen.
Wegen der geringen Geschwindigkeit und des schlechten Weters
hatte Gerlach in den folgenden Wochen kein Glück. Am 27.7.42
übergab man schließlich die letzten Gefangenen an die Charlotte
Schliemann. Zwei Tage später trafen sich die beiden
Hilfskreuzer Stier und Michel. Die beiden
Kommandanten Gerlach und von Ruckteschell beschlossen, gemeinsam
vorzugehen. Das nächste Treffen war für den 9.8. geplant, aber
bevor es dazu kam, sichtete die Stier den britischen
Dampfer Dalhousie. Nach einer Warnsalve antwortete der
Dampfer mit seinem 12,7 cm-Geschütz, daß jedoch keine Treffer
erzielte. 28 Minuten später, um 12.48 Uhr, signalisierte Gerlach
der Dalhousie, daß das Schiff verlassen werden soll.
Der Kapitän gab schließlich auf. 37 Gefangene kamen an Bord der
Stier. Als das Handelsschiff zu kentern begann, erschien
Michel auf dem Schauplatz. Von Ruckteschell beschloß,
zukünftig alleine weiterzukämpfen, da er Gerlachs Taktik
ablehnte.
Eine geplante Maschinenüberholung bei der Gough-Insel mußte
entfallen, da kein geeigneter Ankerplatz zur Verfügung stand und
die See zu hoch war.
Das Ende im Südatlantik
Am 27.8. traf Stier mit Charlotte Schliemann nördlich der Insel Gough zusammen, um erneut Treibstoff zu übernehmen. Einen Monat später, am 27.9.42, kam bei einer Sichtweite von etwa 2 Seemeilen plötzlich ein Dampfer in Sicht. Es handelte sich hierbei um das bewaffnete Liberty-Schiff Stephen Hopkins. Um 8.54 Uhr schoß der Hilfskreuzer die erste Salve. Kurze Zeit später erwiderte der Dampfer aus mehreren Geschützen das Feuer und erzielte 15 schwere Treffer sowie zahllose aus den Maschinenwaffen. Es entstanden an Bord der Stier mehrere Brände und das Bordstromnetz fiel aus, so daß die Munitionsaufzüge und die Feuerlöschpumpen streikten. Ferner fiel die Hauptmaschine aus, so daß das Schiff hilflos in der See trieb. Drei Tote, fünf Schwer- und 28 Leichtverletzte hatte Gerlach zu beklagen. Der Gegner versank nach 50 - 60 Salven und fast 1.000 Schuß aus den Maschinenwaffen gegen 10 Uhr. Wegen der hohen See konnte der Versorger "Tannenfels", der in der Nähe war, keine Feuerlöschhilfe geben, so daß der Hilfskreuzer aufgegeben werden mußte. Besatzung und Gefangene stiegen auf die Tannenfels über und die Stier versank nach zwei gezündeten Sprengladungen. Von der Besatzung der Stephen Hopkins überlebten nur 15 von 57 Mann den Untergang.
Die Männer auf der Tannenfels verbrachten die Heimreise in drangvoller Enge, denn neben der Hilfskreuzerbesatzung waren auch viele gefangene alliierte Handelsschiffmatrosen an Bord. Am 2.11.42 erreichten die Besatzungen Royan.
Die Mitführung der beiden Arado Ar 231 erwies sich als schlechter Griff, denn die beiden Versuchstypen, die eigentlich für U-Boote gedacht waren, erwiesen sich für den Atlantik als ungeeignet.
Offiziere an Bord der Stier:
Gerlach, Horst (Kommandant, geb. 11.8.1900 in
Erfurt, DKG am 3.11.42 als Kdt. Stier)
Schomburg, Heinz (WO, Funkoffz., Adj., später Kdt. U 145, U 561)
Weiterführende Literatur:
Brennecke, Jochen: Die deutschen Hilfskreuzer im Zweiten Weltkrieg, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2001
Gröner, Erich: Die Schiffe der deutschen Kriegsmarine und ihr Verbleib 1939-1945, J.F.Lehmanns Verlag München, 1976
Hildebrand, Hans H. / Röhr, Albert / Steinmetz, Hans-Otto: Die deutschen Kriegsschiffe, 10 Bände, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg
Muggenthaler, August K.: Das waren die deutschen Hilfskreuzer 1939-1945, Motorbuch Verlag Stuttgart, 1981
Witthöft, Hans Jürgen: Lexikon zur deutschen Marinegeschichte, Koehlers Verlagsgesellschaft, Herford 1977